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  • AutorenbildPierre Skovran

Zur Querverteilung von Holzbalkendecken mit Nassestrich im Sinne der DIN EN 1991-1-1

Motivation

Wenn eine Holzbalkendecke mit (Zement-)Nassestrich als querverteilend eingestuft werden kann, dürfen geringere Nutzlasten angesetzt werden.

Ausgehend von einer Eigenlast des gesamten Deckenaufbaus von 2,0 kN/m² = 200 kg/m² reduziert sich dabei die Bemessungslast für die Decke um fast 15%.

Für die Tragwerksplanung ergibt sich zudem der Vorteil, dass nicht mehr zwischen einem weiterzuleitenden Lastanteil (q = 1,5 kN/m²) und nicht weiterzuleitenden Lastanteil (∆q = 0,5 kN/m²) unterschieden werden muss. [4]

Aus diesem Grund lohnt es sich, an praxisnahen Aufbauten das Verhalten einer solchen Holzbalkendecke einmal genauer zu untersuchen.

​Nutzlastansatz

Lastkategorie

Decke mit ausreichender Querverteilung

1,5 kN/m²

A2

Decke ohne ausreichende Querverteilung

2,0 kN/m²

A3

Ausgangssituation

Im Einfamilienhausbau werden häufig Holzbalkendecken mit (Zement-)Nassestrich ausgeführt. Ob eine solche Decke als querverteilend eingestuft werden kann, oder nicht - darüber trifft die Norm keine Aussage. Daher soll zunächst ein plausibles Kriterium gefunden werden, wann von ausreichender Querverteilung gesprochen werden kann.

Anschließend folgt die Untersuchung verschiedener möglicher Deckensysteme und die Variation einzelner Parameter.


Kriterium für Querverteilung

Um aus der qualitativen Formulierung “ausreichend” ein quantitatives Kriterium abzuleiten, werden die in der Norm aufgeführten Lastgrößen herangezogen. So kann eine mögliche Anforderung lauten:

“Eine einfeldrige Balkendecke, die mit einer zentrischen Einzellast von 2,0 kN belastet ist, darf maximal 1,5 kN in die beiden Auflager des Balkens weiterleiten, der direkt unter der Last angeordnet ist. Die übrigen mindestens 0,5 kN Last müssen in benachbarte Balken verteilt werden.”

In Verhältniswerte übersetzt bedeutet das, dass der Balken einer Balkendecke, der direkt unter der Last steht, maximal 75% der Last selbst abtragen darf.


Untersuchung:

Mithilfe einer FE-Modellierung wird untersucht, inwieweit sich benachbarten Deckenbalken am Lastabtrag beteiligen, wenn eine Einzellast von 10 kN als begrenzte Flächenlast (A = 30 * 30 cm²) direkt über einem Deckenbalken aufgebracht wird.


Zunächst werden dabei vier Systeme untersucht:

Nr.

System

Balken b/h

Material Balken

Flächendicke

Material Fläche

1

​Stahlbetondecke, vierseitig liniengelagert

-

-

180 mm

C20/25

2

Balkendecke + OSB

8/24 cm

C24

22 mm

OSB/3

3

Balkendecke + Estrich

8/24 cm

C24

50 mm

C20/25

4

stärkere Balkendecke + Estrich

14/28 cm

C24

50 mm

C20/25

Ergebnisse:

Bild 1: Querverteilung ausgewählter Deckensysteme unter Einzellast im Vergleich


Als Referenz für die Qualität der querverteilenden Eigenschaft der untersuchten Systeme dient die modellierte Stahlbetondecke.

Hier treten aufgrund der Linienlagerung keine punktförmigen Auflagerkräfte auf.

Zur besseren Vergleichbarkeit werden hier die Linienlagerkräfte bereichsweise summiert (vgl. Bild 3). So ist ein Vergleich mit den diskreten Lagerkräften der Balkendecken-Systeme möglich.

Bild 1 zeigt, wie sich der Lastanteil einzelner Deckenbalken unter größer werdendem Abstand vom direkt belasteten Deckenbalken verändert.

Es ist zu erkennen, dass der Lastanteil der Deckenbalken, die im Abstand a neben dem belasteten Deckenbalken liegen, bereits deutlich abnimmt. Im Abstand von 2a zum belasteten Deckenbalken zeigt nur noch die Stahlbetondecke eine mittragende Wirkung. Die lediglich mit OSB beplankte Balkendecke verteilt nahezu keine Last auf angrenzende Deckenbalken.


Die beiden modellierten Balkendecken mit Estrichfläche und unterschiedlichem Balkenquerschnitt bewegen sich hinsichtlich der Querverteilung zwischen den beiden zuvor genannten Systemen.

Der größere Balkenquerschnitt bewirkt bei ansonsten gleichen Randbedingungen eine ca. 20% höhere Last im direkt belasteten Deckenbalken.

Eine querverteilende Wirkung der Estrichfläche ist dennoch eindeutig erkennbar, da nur ca. 60% der Last in die Auflager des direkt belasteten Deckenbalken verteilt werden.

Bild 2: System der modellierten Stahlbetondecke mit Last und Liniennummern


Bild 3: Bereichsweise Auswertung der Linienlagerkräfte der Stahlbetondecke (Linien 18-25)


Weitere Untersuchung

Die Ergebnisse des Systems 3 (vgl. Bild 4) werden für die folgenden Vergleiche als Referenz verwendet. Untersucht werden nun die Auswirkungen folgender Parameter:

  1. Balkenabstand

  2. Estrichstärke

  3. Deckenspannweite

  4. Lasten an Rändern von Deckenfeldern und Trennfugen


Weiterhin ist die begrenzte Biegetragfähigkeit der Estrichschicht von Interesse. Für das Referenzsystem 3 treten unter 10 kN Einzellast (auf 30 * 30 cm² Fläche) maximale Spannungen in Höhe von ca. 2,7 N/mm² auf. Unter Berücksichtigung, dass die gewählte Last deutlich über den für Wohnräume üblichen Einzellasten liegt, scheint ein Estrich der Biegezugfestigkeitsklasse F2 (2 N/mm²) oder höher ausreichend, um diese Spannungen aufzunehmen.

Bild 4: Verformungen und Lagerkräfte des Systems 3 (Balken 8/24 cm, 50 mm Estrich)


Bild 5: Maximale Vergleichsspannung nach Tresca für das System 3 unter begrenzter Flächenlast (R = 10 kN)


Balkenabstand

Der Balkenabstand wird von 0,70 m auf 1,0 m vergrößert, alle anderen Parameter bleiben gleich. Der Lastanteil des direkt beanspruchten Deckenbalkens steigt von 50% auf 65% an.

Bild 6: Auswirkungen der Veränderung des Balkenabstands auf die Querverteilung


Estrichstärke

Die Estrichstärke wird von 50 mm einmal auf 40 mm und einmal auf 60 mm verändert.

Die Auswirkungen bewegen sich im Rahmen weniger Prozentpunkte (+/- 6%P, vgl. Bild 7).

Bild 7: Auswirkungen der Veränderung der Estrichstärke auf die Querverteilung


Spannweite

Die Spannweite von bisher 3 m wird in 1 m-Schritten von 2 m bis 5 m variiert.

Bild 8 zeigt, dass die querverteilende Wirkung bei der 2 m spannenden Balkendecke stark begrenzt ist. Etwa 70% der Last werden vom direkt belasteten Deckenbalken aufgenommen.

Mit Zunahme der Spannweite steigt der Anteil der Last, den die angrenzenden Deckenbalken aufnehmen. Bei 5 m Spannweite ist der Lastanteil der direkt angrenzenden Deckenbalken (gemeinsam 26%) fast so groß wie der Lastanteil, der vom direkt beanspruchten Deckenbalken aufgenommen wird (28%). Dem kann entgegnet werden, dass der Balkenquerschnitt von 8/24 bei einer Spannweite von 5 m mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachweisbar ist. Vergrößert man den Querschnitt für diese Spannweite auf 14/28 cm (C24), stellen sich die Verhältnisse der Anteile ein, die bei einer Spannweite von 4 m zu beobachten sind.

Bild 8: Auswirkungen der Veränderung der Spannweite auf die Querverteilung


Lasten an Rändern von Deckenfeldern oder Trennfugen

Ist der Estrich durch eine Trennfuge unterbrochen, oder wirkt eine Last am Rand eines Deckenfelds, liegt die Vermutung nahe, dass die querverteilende Wirkung dadurch eingeschränkt wird. Tatsächlich zeigt die Modellierung eines solchen Falles, dass nun etwa 71% der Einwirkung durch den direkt belasteten Deckenbalken abgetragen wird.

Da 29% der Last quer verteilt werden und der zuvor definierte Grenzwert von 75% für den direkt belasteten Deckenbalken eingehalten ist, kann für diese Fälle dennoch eine ausreichende Querverteilung angenommen werden.

Bild 9: Auflagerkräfte bei Lasteinwirkung am Deckenrand bzw. einer Estrichfuge


Zusammenfassung

Bei im Einfamilienhausbau üblichen Systemparametern hinsichtlich Spannweite, Estrichstärke, Balkenabmessungen und -abstand kann von einer Querverteilung ausgegangen werden, die den Ansatz von Nutzlasten gemäß Kategorie A2 rechtfertigt.

Voraussetzung hierfür ist die Einbringung eines Zement-Nassestrichs, der mit einem Beton C20/25 vergleichbare Eigenschaften aufweist.

Auch unter ungünstigen Randbedingungen (großer Balkenabstand, geringe Estrichstärke) konnte eine querverteilende Wirkung ermittelt werden, die das zuvor definierte Kriterium einhält.

Bei sehr kurzen Spannweiten, gerade in Kombination mit weiteren ungünstigen Parametern) ist dieses Kriterium mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten. Da hierbei der Spannweite entsprechend geringere Auflagerlasten auftreten, steht dieser Fall der Aussage zur querverteilenden Wirkung von Holzbalkendecken mit Zementestrich nicht entgegen.


Literatur:

  1. MB-News Januar 2013, Dipl.-Ing. Thomas Blüm, abgerufen am 20.10.2023 https://www.mbaec.de/fileadmin/documents/mb-news/2013/mb-news_01-13_S202de.pdf

  2. Vollzug der Thüringer Bauordnung - Hinweise zur Anwendung des Kriterienkatalogs nach §85 Abs. 5 ThürBO, Dr.-Ing. Andreas Rinke, abgerufen am 20.10.2023 https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/fileadmin/Bau/Baurecht/Bauordnungsrecht/Hinweise_zur_Anwendung_des_Kriterienkatalogs.pdf

  3. HBV-Lexikon, Elascon GmbH, abgerufen am 20.10.2023 https://www.elascon.de/hbv-lexikon/querverteilung

  4. DIN EN 1991-1-1:2010-12 mit NA:2010-12 und NA-A1:2015-05

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